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In den Gesprächen um meine Erwartungen an mein Auslandssemester ging es meist auch um meine Italienischkenntnisse. Meine Antwort, ein Satz, den ich mittlerweile auch auf Italienisch in- und auswendig kann: Verstehen klappt ganz gut, aber Sprechen. – „Ist ja normal.“ – „Naja, wird schon.“ – „Das kommt.“ – Und ich erwiderte diese freundlichen Einschätzungen meist mit einem Nicken, das, kaum merklich, eher unschlüssig als optimistisch war. Meine letzten Versuche auf Italienisch eine Unterhaltung zu führen, endeten meist damit, dass ich auf der Hälfte des Satzes aufs Englische auswich. Und die letzten Mails, die ich kurz vor Beginn des Erasmussemesters nach Italien schickte, brachte ich nur mit freundlicher Unterstützung des im Nebenfenster geöffneten Online-Übersetzers zustande. 

Piazza Duomo

Aber warum eigentlich Italien? Direkt nach meinem Schulabschluss war ich für knapp ein Jahr als AuPair in Rom, damals ohne jegliche Italienischkenntnisse. Ich erinnere mich noch, dass mir auf meiner ersten Erkundungstour der Innenstadt einfiel, dass „Bonjour“ ja Französisch war und ich stattdessen „Buongiorno“ sagen musste. Nach zehn Monaten Aufenthalt sah alles ein wenig anders aus, doch obwohl ich Rom jedes Jahr einen Besuch abstattete, verflüchtigten sich meine Italienischkenntnisse nach und nach, wie der Milchschaum auf meinem selbstangerührten Cappuccino.

Nun also Trento oder Trient, wobei der deutsche Name vielen Leuten, denen ich von meinem Auslandssemester berichtete, auch nicht unbedingt bei einer Einordnung half (meine Mutter erzählt allen Interessierten, dass ich mein Erasmus-Semester in Turin verbringe). Ich bin allerdings ein wenig weiter im Nordosten gelandet, in einem 100.000-Einwohner-Städtchen im Flusstal der Etsch, umgeben von Bergen der südlichen Alpen. Und das ist eigentlich genauso idyllisch, wie es sich anhört. Während im nördlicheren, an Österreich grenzenden Südtirol die deutsche Sprache eine wichtige Rolle spielt, greift man hier in Trentino allerdings doch lieber auf das Italienische zurück (obwohl die Einwohner gerne ihre mehr oder weniger ausgefeilten Deutschkenntnisse aus Schulzeiten zum Besten geben).


Das beschauliche Trento also und die Möglichkeit sprachlich alles nachzuholen, wieder aufzuholen und vor allem weiterzukommen – ein Ziel, das ich mir mit vorsichtiger Zuversicht gesetzt hatte.
Kurz nach meiner Ankunft erfuhr ich, dass mein einziger Kurs, der auf Englisch stattfinden sollte, dieses Semester doch nicht zu Stande kommen würde. Umso besser, dann eben alles auf Italienisch… Oder vielleicht doch nicht. In der allerersten Stunde des Seminars Educazione per il futuro d’Europa, Bildung für die Zukunft Europas, stellte sich heraus, dass einer der beiden Dozenten aus Nürnberg ist. Bei seinen Versuchen, den Unterricht auf Italienisch abzuhalten, greift er gerne aufs Englische zurück und nutzt darüber hinaus jede Gelegenheit, mit mir auf Deutsch zu quatschen. Ab und an kann ich ihm mit einigen italienischen Vokabeln aushelfen und verberge dabei hinter meinem besserwisserischen Grinsen, wie erleichtert ich bin, selbst keine vollständigen Sätze formulieren zu müssen.

In den übrigen Kursen sah es zunächst aber ein wenig anders aus. Deutlich verstehen konnte ich die Frage des Dozenten am Ende der Veranstaltung, ob es Unklarheiten gäbe, und seine Ermahnung, dass das Verständnis der behandelten Inhalte grundlegend für den weiteren Verlauf des Seminars sei. Ich klammerte mich an meine bruchstückhaften Notizen und suchte in meinem Kopf vergeblich nach einer Frage, deren Antwort mir ermöglichen würde, meine unüberschaubare Wissenslücke zu überwinden.

Nun bin ich schon über einen Monat hier und möglicherweise bereit für ein erstes Fazit. Ich bin ein Experte, wenn es darum geht, sich wenig rationale Urteile über Städte und Orte zu bilden, ihnen Persönlichkeiten anzudichten und ein daraus resultierendes Verhältnis mir gegenüber abzuleiten, was ich mir einbilde, aus zeichenhaften Ereignissen und Gegebenheiten herauslesen zu können. Und mit so einem naiven Gedankenansatz erkläre ich mir beizeiten die Welt, zumindest dann, wenn ich nichts Besseres zu tun habe.

Wie sieht das bei Trento aus? Bei meiner ersten größeren Erasmusveranstaltung, einer feuchtfröhlichen Tour durch die Kneipen Trients, bemerkte ich auf der Hälfte des Abends, dass mein Portmonee mitsamt Geldkarte, Ausweis, Bargeld und und und… sich nicht mehr in meiner Handtasche befand. Bemüht nicht die Fassung zu verlieren, ging ich alle bisher gelaufenen Wege ab, fragte jede Person nach Auskunft, die mir einigermaßen bekannt vorkam, sondierte mit Adlersaugen die Tanzfläche und schlich schließlich in aller Verzweiflung an die Bar und teilte der Barkeeperin mein Unglück mit. Sie sagte nur „Aspetta“, verschwand für zwei Sekunden und kehrte dann mit meinem unversehrten Geldbeutel wieder.

Port'Aquila

Den Tränen nahe schwor ich mir, in Zukunft besser aufzupassen, nie und nimmer mehr meine Sachen aus den Augen zu lassen. Vor zwei Wochen verschwand dann die Busfahrkarte aus meinem Rucksack und erst letzten Mittwoch vergaß ich meine Jacke inklusive Wohnungsschlüssel in der Innenstadt. Aber, und das ist der Stoff, aus dem sich mein individueller Aberglaube speist, alles fand sich wieder an. 

Auf meinem Weg durch den Alltag stolpere ich nun immer wieder über Wörter, Ausdrücke, Phrasen und Redewendungen, die an irgendeinem abgelegenen Ort in meinem Hinterkopf gelagert waren, und habe neben einigen entscheidenden „Aha!“- vor allem auch „Ach ja!“-Momente. Wenn ich gut drauf bin, schaffe ich es sogar, meinen verstaubten Wortschatz mit unverkennbar kantig-schroffen Akzent, der jedem Zuhörer meine Herkunft verrät, ins Gespräch einzuwerfen. Meine im Seminar angefertigten Notizen entwickeln sich von anfänglichen Runen „irgendwer hat einen Konflikt ?“ zu Stichwörtern wie „Streit mit denen, die Verfassung machen“, die immerhin ein seichtes Verständnis andeuten. Und neulich erst gelang es mir tatsächlich meine Pläne fürs Wochenende im Futur auszudrücken. Scheinbar doch nicht alles verloren.

Am Abend finde ich mich am Piazza Venezia wieder (korrekt wäre „an der“, da la piazza weiblich ist), dort wo ich auch in Rom schon schläfrig auf den Bus wartete, der mich nach Hause bringen sollte. Im orangen Licht der Scheinwerfer des angrenzenden Tennisplatzes suche ich nach Möwen, doch das Meer ist meilenweit entfernt. Der Kleinstadtverkehr braust, hinter dem Mäuerchen, auf dem ich hocke, gehen einige Hunde mit ihren Herrchen und Frauchen spazieren, ab und zu überquert ein Passant die Straße, um am gegenüberliegenden Kiosk Zigaretten zu kaufen. Nach zehn Minuten Verspätung erreicht der letzte Bus die Haltestelle, die Türen öffnen und schließen sich und es geht bergauf.

Über die Autorin

Lisi - Erkundet die italienischen Alpen

Ist 1992 geboren, kommt aus Ratzeburg 
und studiert Deutsch als Fremdsprache an der Universität Leipzig. 
Für ihr Erasmus Semester ist sie nach Trento (Trient, Italien)
 an die Universität Trient gegangen.  

 

 

Über Trento: Verloren und wiedergefunden




In den Gesprächen um meine Erwartungen an mein Auslandssemester ging es meist auch um meine Italienischkenntnisse. Meine Antwort, ein Satz, den ich mittlerweile auch auf Italienisch in- und auswendig kann: Verstehen klappt ganz gut, aber Sprechen. – „Ist ja normal.“ – „Naja, wird schon.“ – „Das kommt.“ – Und ich erwiderte diese freundlichen Einschätzungen meist mit einem Nicken, das, kaum merklich, eher unschlüssig als optimistisch war. Meine letzten Versuche auf Italienisch eine Unterhaltung zu führen, endeten meist damit, dass ich auf der Hälfte des Satzes aufs Englische auswich. Und die letzten Mails, die ich kurz vor Beginn des Erasmussemesters nach Italien schickte, brachte ich nur mit freundlicher Unterstützung des im Nebenfenster geöffneten Online-Übersetzers zustande. 

Piazza Duomo

Aber warum eigentlich Italien? Direkt nach meinem Schulabschluss war ich für knapp ein Jahr als AuPair in Rom, damals ohne jegliche Italienischkenntnisse. Ich erinnere mich noch, dass mir auf meiner ersten Erkundungstour der Innenstadt einfiel, dass „Bonjour“ ja Französisch war und ich stattdessen „Buongiorno“ sagen musste. Nach zehn Monaten Aufenthalt sah alles ein wenig anders aus, doch obwohl ich Rom jedes Jahr einen Besuch abstattete, verflüchtigten sich meine Italienischkenntnisse nach und nach, wie der Milchschaum auf meinem selbstangerührten Cappuccino.

Nun also Trento oder Trient, wobei der deutsche Name vielen Leuten, denen ich von meinem Auslandssemester berichtete, auch nicht unbedingt bei einer Einordnung half (meine Mutter erzählt allen Interessierten, dass ich mein Erasmus-Semester in Turin verbringe). Ich bin allerdings ein wenig weiter im Nordosten gelandet, in einem 100.000-Einwohner-Städtchen im Flusstal der Etsch, umgeben von Bergen der südlichen Alpen. Und das ist eigentlich genauso idyllisch, wie es sich anhört. Während im nördlicheren, an Österreich grenzenden Südtirol die deutsche Sprache eine wichtige Rolle spielt, greift man hier in Trentino allerdings doch lieber auf das Italienische zurück (obwohl die Einwohner gerne ihre mehr oder weniger ausgefeilten Deutschkenntnisse aus Schulzeiten zum Besten geben).


Das beschauliche Trento also und die Möglichkeit sprachlich alles nachzuholen, wieder aufzuholen und vor allem weiterzukommen – ein Ziel, das ich mir mit vorsichtiger Zuversicht gesetzt hatte.
Kurz nach meiner Ankunft erfuhr ich, dass mein einziger Kurs, der auf Englisch stattfinden sollte, dieses Semester doch nicht zu Stande kommen würde. Umso besser, dann eben alles auf Italienisch… Oder vielleicht doch nicht. In der allerersten Stunde des Seminars Educazione per il futuro d’Europa, Bildung für die Zukunft Europas, stellte sich heraus, dass einer der beiden Dozenten aus Nürnberg ist. Bei seinen Versuchen, den Unterricht auf Italienisch abzuhalten, greift er gerne aufs Englische zurück und nutzt darüber hinaus jede Gelegenheit, mit mir auf Deutsch zu quatschen. Ab und an kann ich ihm mit einigen italienischen Vokabeln aushelfen und verberge dabei hinter meinem besserwisserischen Grinsen, wie erleichtert ich bin, selbst keine vollständigen Sätze formulieren zu müssen.

In den übrigen Kursen sah es zunächst aber ein wenig anders aus. Deutlich verstehen konnte ich die Frage des Dozenten am Ende der Veranstaltung, ob es Unklarheiten gäbe, und seine Ermahnung, dass das Verständnis der behandelten Inhalte grundlegend für den weiteren Verlauf des Seminars sei. Ich klammerte mich an meine bruchstückhaften Notizen und suchte in meinem Kopf vergeblich nach einer Frage, deren Antwort mir ermöglichen würde, meine unüberschaubare Wissenslücke zu überwinden.

Nun bin ich schon über einen Monat hier und möglicherweise bereit für ein erstes Fazit. Ich bin ein Experte, wenn es darum geht, sich wenig rationale Urteile über Städte und Orte zu bilden, ihnen Persönlichkeiten anzudichten und ein daraus resultierendes Verhältnis mir gegenüber abzuleiten, was ich mir einbilde, aus zeichenhaften Ereignissen und Gegebenheiten herauslesen zu können. Und mit so einem naiven Gedankenansatz erkläre ich mir beizeiten die Welt, zumindest dann, wenn ich nichts Besseres zu tun habe.

Wie sieht das bei Trento aus? Bei meiner ersten größeren Erasmusveranstaltung, einer feuchtfröhlichen Tour durch die Kneipen Trients, bemerkte ich auf der Hälfte des Abends, dass mein Portmonee mitsamt Geldkarte, Ausweis, Bargeld und und und… sich nicht mehr in meiner Handtasche befand. Bemüht nicht die Fassung zu verlieren, ging ich alle bisher gelaufenen Wege ab, fragte jede Person nach Auskunft, die mir einigermaßen bekannt vorkam, sondierte mit Adlersaugen die Tanzfläche und schlich schließlich in aller Verzweiflung an die Bar und teilte der Barkeeperin mein Unglück mit. Sie sagte nur „Aspetta“, verschwand für zwei Sekunden und kehrte dann mit meinem unversehrten Geldbeutel wieder.

Port'Aquila

Den Tränen nahe schwor ich mir, in Zukunft besser aufzupassen, nie und nimmer mehr meine Sachen aus den Augen zu lassen. Vor zwei Wochen verschwand dann die Busfahrkarte aus meinem Rucksack und erst letzten Mittwoch vergaß ich meine Jacke inklusive Wohnungsschlüssel in der Innenstadt. Aber, und das ist der Stoff, aus dem sich mein individueller Aberglaube speist, alles fand sich wieder an. 

Auf meinem Weg durch den Alltag stolpere ich nun immer wieder über Wörter, Ausdrücke, Phrasen und Redewendungen, die an irgendeinem abgelegenen Ort in meinem Hinterkopf gelagert waren, und habe neben einigen entscheidenden „Aha!“- vor allem auch „Ach ja!“-Momente. Wenn ich gut drauf bin, schaffe ich es sogar, meinen verstaubten Wortschatz mit unverkennbar kantig-schroffen Akzent, der jedem Zuhörer meine Herkunft verrät, ins Gespräch einzuwerfen. Meine im Seminar angefertigten Notizen entwickeln sich von anfänglichen Runen „irgendwer hat einen Konflikt ?“ zu Stichwörtern wie „Streit mit denen, die Verfassung machen“, die immerhin ein seichtes Verständnis andeuten. Und neulich erst gelang es mir tatsächlich meine Pläne fürs Wochenende im Futur auszudrücken. Scheinbar doch nicht alles verloren.

Am Abend finde ich mich am Piazza Venezia wieder (korrekt wäre „an der“, da la piazza weiblich ist), dort wo ich auch in Rom schon schläfrig auf den Bus wartete, der mich nach Hause bringen sollte. Im orangen Licht der Scheinwerfer des angrenzenden Tennisplatzes suche ich nach Möwen, doch das Meer ist meilenweit entfernt. Der Kleinstadtverkehr braust, hinter dem Mäuerchen, auf dem ich hocke, gehen einige Hunde mit ihren Herrchen und Frauchen spazieren, ab und zu überquert ein Passant die Straße, um am gegenüberliegenden Kiosk Zigaretten zu kaufen. Nach zehn Minuten Verspätung erreicht der letzte Bus die Haltestelle, die Türen öffnen und schließen sich und es geht bergauf.

Über die Autorin

Lisi - Erkundet die italienischen Alpen

Ist 1992 geboren, kommt aus Ratzeburg 
und studiert Deutsch als Fremdsprache an der Universität Leipzig. 
Für ihr Erasmus Semester ist sie nach Trento (Trient, Italien)
 an die Universität Trient gegangen.  

 

 

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